Industrielle Automatisierung

Von Grund auf: Industrielle Sensoren und Single Pair Ethernet

Dr. Michael Hilgner, Cornelia Eitel, Lukas Bechtel
Wenn beim Vergleich der Implementierung eines SPE-Netzes mit einem herkömmlichen Netz nur die Anschaffungskosten berücksichtigt werden, können die tatsächlichen Betriebskosten nicht ermittelt werden.

 

Single Pair Ethernet (SPE) ist auf dem besten Weg, die Basis für die vollautomatisierte intelligente Fabrik zu werden.

 

In einer Reihe von Blogs haben wir bereits viel über Single Pair Ethernet und SPE-Netzwerke berichtet:

 

Es ist nun an der Zeit, zu untersuchen, wie SPE Ethernet-Netzwerke auf der Sensor/Aktor-Ebene ergänzen kann und welche Hindernisse überwunden werden müssen, damit Hersteller von aktiven Komponenten (Switches und Router) und Endgeräten (Sensoren und Aktoren) ihre SPE-Portfolios erweitern können.

 

Berechnung der Gesamtbetriebskosten für SPE

Während des Lebenszyklus eines Netzwerks sind vier Phasen zu berücksichtigen:

  1. Erwerb
  2. Inbetriebnahme (hier könnte zwischen Hardware-Installation und Software-Installation unterschieden werden)​​​​​​​
  3. Betrieb
  4. Wartung

Beim Vergleich der Implementierungskosten für ein SPE-Netzwerk mit einem herkömmlichen Netzwerk, das auf einem Feldbus oder seriellen Schnittstellen basiert, werden oft nur die Anschaffungskosten berücksichtigt. Kosten und Nutzen späterer Lebenszyklusphasen wie Inbetriebnahme, Betrieb und Wartung werden dabei nur selten berücksichtigt.​​​​​​​ Bei der Berechnung der Gerätekosten werden häufig die Preise für Ethernet-Transceiver und Zusatzschaltungen mit den Preisen für einfache RS-485- oder RS-232-Schnittstellen verglichen.

 

Um jedoch die tatsächlichen Gesamtkosten für den Betrieb eines SPE-Netzes zu ermitteln, ist eine detailliertere Betrachtung der vier Installationsphasen erforderlich.

 

Wahrscheinlichkeit der Einführung von SPE auf Sensor/Aktor-Ebene​​​​​​​

Die Durchführung von Kosten-Nutzen-Analysen über den gesamten Lebenszyklus des Netzes ermöglicht eine Klassifizierung der Sensoren hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von SPE.

 

Analoge Sensoren

Analoge Sensoren, die Ströme (z. B. 4–20 mA) oder Spannungen (z. B. 0–10 V) proportional zu Messgrößen (Drücke oder Temperaturen) liefern, die in analoge I/O-Module umgewandelt und in Ethernet-Frames verpackt werden, sind aufgrund des geringen Kosten-Nutzen-Verhältnisses dieses Szenarios selten, wenn überhaupt, mit SPE ausgestattet.

 

Einfache digitale Sensoren

Einfache digitale Sensoren, bei denen die Umwandlung der Messgrößen in ein digitales Signal im Sensor erfolgt und die über digitale I/O-Module mit einem Ethernet-Netzwerk verbunden sind, werden SPE in geringem Umfang integrieren. Damit können die Sensoren die Vorteile der einheitlichen Implementierung von Ethernet nutzen. Die Verlagerung des Ethernet-Transceivers vom I/O-Modul in die Sensoren ist besonders bei Anwendungen mit einer geringen Anzahl von Sensoren oder großen Abständen zwischen den Sensoren sinnvoll.

 

Intelligente digitale Sensoren

Intelligente digitale Sensoren, die über Feldbusse oder serielle Schnittstellen angeschlossen sind, profitieren von der höheren Bandbreite, die SPE bietet. Sie profitieren auch von den Sicherheitsfunktionen, die für Ethernet verfügbar sind.​​​​​​​ Insofern ist bei intelligenten digitalen Sensoren eine hohe Akzeptanz von SPE zu erwarten.

 

Intelligente Sensoren

Intelligente Sensoren mit hohem Bandbreitenbedarf werden bereits heute über Ethernet-Systeme angebunden. Nehmen wir zum Beispiel Kameras mit einer nativen Bandbreite zwischen 1,6 Mb/s und 4,3 Mb/s (abhängig von der Videoqualität) mit einem Standard-Codec (H.264) bei einer Auflösung von 2 MP und einer Bildrate von 20 fps. Dieser Bandbreitenbedarf erhöht sich, wenn zusätzliche wichtige Daten übertragen werden, die Mehrwertdienste wie zum Beispiel Wartung ermöglichen.

 

Dieser Bandbreitenbedarf steigt mit der zusätzlichen Übertragung wichtiger Daten, die Mehrwertdienste ermöglichen.​​​​​​​ Die Einführung von SPE ist in dieser Sensorkategorie nicht nur wegen dieser Anforderung, sondern auch (und vor allem) wegen der großen Reichweiten von 10BASE-T1L und 100BASE-T{ [#3]}L (das Ziel von IEEE 802.3dg liefert 100 Mb/s über 500 m) und der Fernspeisung über PoDL/SPoE sinnvoll.

 

Hindernisse für die Einführung von SPE aus Sicht der Gerätehersteller

Um den unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Zielmärkte für SPE gerecht zu werden, haben Gerätehersteller Standards mit unterschiedlichen Bandbreiten, Kabellängen und Topologien für die physikalische Übertragungsschicht definiert.

 

Für die höheren Schichten werden verschiedene Industrieprotokolle verwendet, zusammen mit verschiedenen Steckverbindern, die die unterschiedlichen industriellen Umgebungen und deren Anforderungen ergänzen, beispielsweise in Bezug auf:

  • Abdichtung gegen Staub und Feuchtigkeit​​​​​​​
  • Beständigkeit gegen chemische Substanzen
  • Robustheit gegenüber mechanischen Belastungen und elektromagnetischen Störungen (EMI)

Aufgrund der Vielzahl möglicher Kombinationen von Anforderungen werden Hersteller von aktiven Infrastrukturkomponenten und Endgeräten dieser Komplexität wahrscheinlich mit Lösungen begegnen, die nur für bestimmte Anwendungen sinnvoll sind und ein wirtschaftlich tragfähiges Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten.

 

Obwohl dies die allgemeine Einführung von SPE-Netzwerken und -Technologien verlangsamen könnte, sind eine frühzeitige Standardisierung und die Festlegung gemeinsamer Industriestandards mögliche Wege, um dieses Problem zu überwinden.​​​​​​​

 

Die Hersteller müssen sich auch damit auseinandersetzen, dass elektronische Komponenten bereits für den Einsatz in Fahrzeugen entwickelt wurden. Ihre Umsetzung erfordert weitere Anstrengungen.​​​​​​​ Ein prominentes Beispiel hierfür sind geeignete Switch- und Multiport-Transceiver-Chips (PHY) für SPE, die von Halbleiterherstellern angeboten werden.

 

Beispielsweise ist es derzeit erforderlich, Switches und Single-Port PHY-Chips über medienunabhängige Schnittstellen wie RGMII, RMII oder MII zu verbinden. Diese Schnittstellen sowie die Verwendung von Single-Port-PHY-Chips führen aufgrund der hohen Signalanzahl zu einer höheren Komplexität der Signalführung auf der Leiterplatte und zu einem höheren Platzbedarf.

 

Während moderne Schnittstellen wie SGMII vier Signale pro Port benötigen, sind bei einer MII-Schnittstelle 16 Signale und für eine RMII-Schnittstelle 8 Signale erforderlich. Darüber hinaus sind MDIO- und MDC-Verwaltungsschnittstellen für jeden Single-Port-PHY-Chip erforderlich.

 

SPE-Multiport-PHY-Chips mit geeigneten medienunabhängigen Schnittstellen, wie z. B. SGMII oder QSGMII, sind derzeit nicht verfügbar. Speziell für 10BASE-T1L sind diese für den Gigabit-Betrieb ausgelegten Schnittstellen kein Schwerpunktbereich für Halbleiterhersteller.

 

Die Entwicklung von Switch-ASICS wird jedoch durch den rasant steigenden Bandbreitenbedarf vorangetrieben, so dass entsprechende MAC-PHY-Schnittstellen mit Multi-Gigabit-Bandbreiten optimiert werden.​​​​​​​

 

Die Inkompatibilität der Schnittstellen muss durch zusätzliche Chips zur Protokollkonvertierung überwunden werden, was die Entwicklung geeigneter Feld-Switches verteuert.

 

SPE wird sich bewähren

SPE bringt Innovationspotenzial für die verschiedenen Fachleute, die an den vier Phasen des Lebenszyklus einer Netzwerkinstallation beteiligt sind. Dies spiegelt sich auch deutlich in den verschiedenen Standardisierungsaktivitäten des IEEE und der Nutzerorganisationen wider.​​​​​​​

 

Trotz der langen Geschichte der Standardisierung durch die IEEE ist SPE noch eine relativ neue Technologie, die sich zunächst in komplexeren und intelligenteren Sensoren bewähren muss, bevor sie in einfacheren Sensoren zum Einsatz kommt. Mit zunehmender Verfügbarkeit von Komponenten und Hardware wird sich SPE weiter in Richtung kostengünstigerer Sensorsegmente durchsetzen und für eine Harmonisierung der Netzwerkkomponenten sorgen.​​​​​​​

 

 

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