Industrielle Automatisierung
Hürden der Single Pair Ethernet Verbreitung bewältigen
28.02.2023
Single Pair Ethernet (SPE) ist zwar bereits seit geraumer Zeit im Gespräch, jedoch war die Akzeptanz in der Branche bislang noch nicht gegeben. Heute gewinnt es rapide als eine Möglichkeit an Bedeutung, Ethernet über eine einzige verdrillte Zweidrahtleitung bereitzustellen, anstatt über zwei oder vier Zweidrahtleitungen, auf die die meisten anderen Datenübertragungsmedien setzen.
Zu den zahlreichen Vorteilen von SPE-Kabeln gehört, dass sie leichter als herkömmliche Kabel sind, schneller und einfacher installiert werden können und eine ausgezeichnete Palette und Geräteabdeckung haben. Allerdings gab es in den letzten Jahren einige Gründe, warum manche Fachleute in der Branche mit der Einführung von Single Pair Ethernet gezögert haben. In diesem Blog werden wir diese Hürden besprechen und erklären, wie sie überwunden werden können.
Das Single Pair Ethernet-Ökosystem
Zu den häufigsten Bedenken gehört die Frage, ob die SPE-Wertschöpfungskette oder das Ökosystem dazu bereit ist. Werden beispielsweise die Produkte der Chip-PHY-Hersteller auf IEEE 802.3da 10BASE-T1S unterstützt? Welche Steckverbinder sollten verwendet werden? Werden alle Normen freigegeben und sind Investitionen in sie sicher? Gibt es Fälle, in denen SPE-Produkte in den verschiedenen vertikalen Branchen verwendet werden?
Diese Fragen – zusammen mit vielen anderen – beschreiben die Rahmenbedingungen, mit denen traditionelle Industrieunternehmen bei der Einführung von SPE zu kämpfen haben. Gibt es keine soliden und leicht zu findenden Antworten auf diese Fragen, werden sie zum Stolperstein, der die Verbreitung der SPE-Technologie verlangsamt. Zum Glück kooperiert die Branche, um diese Fragen zu behandeln, so dass Installateure und Benutzer eindeutige Antworten haben und wissen, wie sie Single Pair Ethernet einsetzen können.
Nach Beantwortung dieser Fragen werden Unternehmen zu überlegen haben, welche Rolle sie innerhalb des SPE-Ökosystems spielen werden und wie diese Technologie auf die internen Kernkompetenzen auszurichten ist.
Abwärtskompatibilität
Der Wissenschaftler Carl Shapiro hat in seinem Aufsatz „The Art of Standards Wars (Die Kunst der Normenkriege)“ die Bedeutung von Normen sehr gut kategorisiert, indem er überzeugende historische Beispiele beschreibt wie im Fall von Nord gegen Süd bei den Eisenbahnspuren im 19. Jahrhundert, Edison gegen Westinghouse und Wechselstromerzeugung und -verteilung sowie Normen für das Farbfernsehen. Das Dokument erläutert strategische Überlegungen und zeigt auf, wie man in stark regulierten Branchen Kunden gewinnen kann. Darüber hinaus geht es bei den Normen im Wesentlichen um die Förderung von Größenvorteilen zum Nutzen der Anwender.
Single Pair Ethernet ist eine radikale und revolutionäre Technologie mit überlegener und überzeugender Leistung. Radikale Technologien sind oftmals nicht rückwärtskompatibel mit bestehenden Produkten oder Technologien. Damit neue Technologien ihre volle Leistung und ihre Vorteile entfalten können, sind alte Assets oftmals durch moderne Geräte zu ersetzen.
Andererseits bietet die inkrementelle Entwicklung in der Regel den Vorteil der Rückwärtskompatibilität. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn bereits etablierte Systemumgebungen und eine Kompatibilität der Wertschöpfungskette für die bestehende Technologie vorhanden sind; dennoch ist Aufklärung wichtig.
Durch Unterstützung der Abwärtskompatibilität lassen sich bei gleicher oder besserer Leistung auch die relativen Einheitskosten niedriger halten. Aktuelle Beispiele aus der Computerindustrie beinhalten beispielsweise den Übergang von USB 2.0 zu USB 3.0 und PCIe 3.0 zu PCIe 4.0.
Es wurde versucht, einfache Migrationspfade für die SPE-Technologie zu finden. Beispielsweise sehen die Normen IEC 63171-2 und IEC 63171-5 die Kompatibilität von Vier-Kammer-Steckverbindern mit den bestehenden vierpaarigen Verdrahtungssystemen und RJ45-Schnittstellen vor, wurden aber von der Single Pair Ethernet System Alliance abgelehnt. Die bestehenden, alten M12 A-kodierte Steckverbinder wurden zur Verwendung als SPE-Steckverbinder vorgeschlagen; in der Prozessindustrie. Die Kunden haben ebenfalls ein Interesse an der Wiederverwendung bestehender PROFINET-Kabel für SPE gezeigt. Das geht, aber nur in bestimmten Situationen. Es kommt auf die Installation an.
Die psychologischen und finanziellen Hindernisse bei der Akzeptanz und Einführung neuer und leistungsfähigerer Produkte sind niedriger. Diese Beispiele zeigen, dass es einen klaren und einfachen Migrationsweg gibt, der es den Benutzern ermöglicht, die Interessengruppen von den Vorzügen zu überzeugen und veraltete Assets nach und nach zu aktualisieren, was die betriebsbereiten Risiken der Einführung verringert. Bisher hatte es den Anschein, als ob SPE einen hohen Einsatz erforderte, um die Vorteile voll ausschöpfen zu können – doch das ändert sich jetzt.
Das Investitionsrisiko
Beim Umgang mit neuen Technologien ist es für alteingesessene Unternehmen oft schwierig, die Höhe der Investitionen zu auszugleichen.
Die Nichtbeteiligung an einer revolutionären Innovation wie SPE scheint eine relativ sichere Entscheidung zu sein, allerdings besteht die Gefahr, einen Wettbewerbsvorteil zu verlieren und auf dem Markt abgehängt zu werden. Kodak und Nokia sind zwei namhafte Beispiele für Unternehmen, die sich entschieden haben, nicht in revolutionäre Technologien zu investieren, und deshalb überflüssig geworden sind.
Es gibt aber auch Beispiele von Unternehmen, die in neue Technologien investieren und trotzdem keinen Erfolg haben. Der Schlüssel zum Erfolg ist von zwei Dingen abhängig:
- Vom Zeitpunkt, zu dem man sich entscheidet, dabei zu sein, und von der Rolle, die man spielt (Innovator, Early Adopter, Early Majority usw.)
- Die Bereitschaft des Technologie-Ökosystems
Auf der Grundlage von Marktforschungsergebnissen wurde die Größe der weltweiten Steckverbinderbranche Ende 2021 auf 62,7 Mrd. USD geschätzt. Auf die entsprechenden SPE-Steckverbinder entfallen rund 2 % dieses Gesamtumsatzes (1,25 Mrd. USD). Nach dem Gesetz der Diffusionstheorie würde die Größe der Innovatorenbranche (2,5 %) von 1,25 Mrd. USD etwa 30 Mio. USD Umsatz von allen Akteuren im Ökosystem insgesamt bedeuten, und die Early Adopter (13,5 %) würden etwa 170 Mio. USD generieren, um den Wendepunkt des Marktes zu erreichen.
Das Gesetz der Innovationsdiffusion
Angelehnt an Innovationsdiffusion, Wikipedia
Es lässt sich leicht ableiten, wie viele passive SPE-Verbindungsprodukte verkauft werden müssen, bis das Ökosystem als ausgereift angesehen wird. Auch wenn der Wandel erst am Anfang steht, er wird sich weiter intensivieren.
Die Frage, wer die ersten Anwender sein werden und ab wann der Wendepunkt der Branche zu erwarten ist, wird für jedes traditionelle Unternehmen zu einer entscheidenden Frage werden, um für sich den richtigen Zeitpunkt für den Übergang festlegen zu können.
Die Pandemie
Die weltweite Pandemie hat auch das Wachstum des SPE-Ökosystems vorübergehend beeinträchtigt. Das Wachstum des Ökosystems ist abhängig von der Interaktion und Zusammenarbeit der verschiedenen Unternehmen auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette.
Virtuelle Ad-hoc-Sitzungen und die Absage von Events und Messen haben sich trotz der einfachen Kapitalbeschaffung wesentlich auf das SPE-Ökosystem ausgewirkt.
Die Handlungen der Hersteller
Der Übergang von Multi-Pair Ethernet zu SPE erfordert ein Handeln aller Beteiligten. Beispielsweise werden die Hersteller von Geräten weiterhin neue SPE-Technologien übernehmen und einbinden, so dass Hardware und Software für SPE-Produkte der nächsten Generation entwickelt werden. Die Endgerätehersteller müssen neue PCB-Hardware zur Integration neuer ICs für die Signalmodulation bauen. Unternehmen, die Steckverbinder herstellen, sollten sich auf neue Normen verständigen, um die Kompatibilität zu maximieren.
Die Handlungen, die diese Hersteller jetzt ergreifen, werden es Integratoren und Maschinenbauern ermöglichen, Lösungen für geeignete Anwendungen in verschiedenen vertikalen Bereichen zu entwickeln, um einen Mehrwert für Asset-Eigentümer und Betreiber einzubringen.
Belden leistet seinen Beitrag, um Single Pair Ethernet auf den Markt zu bringen, so dass Unternehmen von den Vorteilen profitieren können, die es zu bieten hat.
Unser Single Pair Ethernet-Portfolio an Verkabelungs- und Verbindungsprodukten wurde entwickelt, um die Ethernet-Verbindungsmöglichkeiten in anspruchsvollen Umgebungen, darunter in Industrie- und Verkehrsbetrieben, zu optimieren.
Gemeinsam bilden diese Systeme die Grundlage für die Echtzeitkommunikation zwischen allen Geräten im Netzwerk, dem Unternehmens-Backbone und der Cloud, um die Effizienz der Prozesse zu verbessern und die Betriebskosten zu senken.
Angesichts der Weiterentwicklung der Industrie 4.0 und der wachsenden Anzahl von Sensoren und Aktoren die mit dem Unternehmens-Backbone in Verbindung stehen, ist Single Pair Ethernet eine unkomplizierte Lösung für die weitere industrielle Automatisierung.
Verwandte Links
Über den Autor Chen
Chen Zhang ist Product Line Manager für Verbindungstechnik bei Belden. Bevor er 2019 zum Industrieteam kam, war Chen zehn Jahre lang bei General Electric als Produktmanager für Niederspannungstreiber in den Bereichen erneuerbare Energien, Schifffahrt und anderen Industriesegmenten tätig. Chen hat einen Master-Abschluss in Elektrotechnik und Informationstechnik von der TU München. Verbinden Sie sich mit Chen auf LinkedIn.